Rede zum Sachsenhausen-Gedenklauf am 5. Mai 2014 in Schwerin

5. Mai 2014

Liebe Läuferinnen und Läufer,

ich begrüße Sie zum 49. Sachsensenhausen-Gedenklauf.  Der Lauf erinnert  an den Todesmarsch der Häftlinge des KZ Sachsenhausens, der hier am 2. Mai 1945 an der Störbrücke in Raben Steinfeld endete. Mehr als 30.000 KZ-Häftlinge wurden am 21. April 1945 auf einem Todesmarsch in Richtung Lübecker Bucht getrieben. 6.000 Häftlinge starben an Entkräftung oder wurden von SS-Leuten ermordet.

Wie soll man heute der Nazizeit gedenken? Sinnvoll und ansprechend sind z.B. Stolpersteine für Naziopfer oder Projekttage für Jugendliche in der KZ-Gedenkstätte Wöbbelin. Aber auch Traditionen, wie der Sachsenhausengedenklauf, können die Erinnerung wachhalten. Der Lauf erinnert an die Opfer der Nazi-Tyrannei, die für Tausende Häftlinge auf der Todesmarschstrecke mit dem Tod endete. Der Lauf erinnert aber zugleich daran, dass die Ursachen für den sinnlosen Tod und die Vertreibung von Millionen Menschen weit vorher ansetzen.

Wir erinnern daran, dass Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland und anderen Ländern weit verbreitet waren und den Nazis den Anknüpfungspunkt für Ihre legale Machtergreifung gab. Der Weg führte von der systematischen Diskriminierung von Andersdenkenden und Minderheiten, über deren rechtliche Ausgrenzung schließlich zur Deportation und Ermordung von Millionen Menschen. Wir erinnern zugleich daran, dass profitgierige Unternehmen und Banken mit ihrer Zuwendung zu den Nazis bereits seit Beginn der dreißiger Jahre einen absehbaren Krieg mit Millionen Opfern in Kauf nahmen, an dem sie gut verdienten.

Welche Bedeutung hat Erinnerung aber, wenn Sie nicht auch etwas mit dem Hier und Jetzt zu tun hat? In Kürze sind in Mecklenburg-Vorpommern Kommunal- und Europa-Wahlen. Mit dabei ist auch die NPD, obwohl gegen sie bereits ein Verbotsverfahren läuft. Mache fragen, ob die Demokratie die NPD nicht aushalten müsse. Müssen wir wirklich aushalten, wenn zu Hass und Gewalt aufgerufen wird? Sollten wir mit denen diskutieren, die die Demokratie abschaffen wollen und mit ihr neben demokratischen Wahlen auch freie Meinungsäußerung sowie  Presse- und Versammlungsfreiheit?

Schauen wir uns zur Wahl um, dann sehen wir Slogans wie „Deutschland ist nicht das Sozialamt der Welt“ bei der NPD und „Keine Einwanderung in unsere Sozialsysteme“ bei der AfD. Und dies angesichts der Tatsache, dass Deutschland und andere Länder in Europa selbst mal Auswanderungsländer waren und eine halbe Million Menschen aus Deutschland die Nazi-Zeit wohl nur deshalb überlebt hat, weil sie in anderen Ländern aufgenommen wurden. Heute scheint der Übergang von den Nazis zu den Rechtspopulisten fließend zu sein. Die Rechtspopulisten agieren nur geschickter. Sie sind wie der Fisch im Wasser – schillernd und schwer zu greifen, wie ihre Partner bei Le Pain in Frankreich, Vlaams Belang in Belgien und Geerd Wilders in den Niederlanden. Aber gerade deshalb ist Auseinandersetzung notwendig. Bei ihrer Europa-Kritik will die AfD mal den Euro abschaffen, mal den Euroraum verkleinern. Auf alle Fälle soll Deutschland eine dominierende Rolle spielen. Andererseits rechtfertigt diese Partei in ihrem Parteiprogramm Sozialabbau und Hungerlöhne für prekär Beschäftigte. Bei genauem Hinschauen, erkennt man auch verpackten Rassismus, nicht zuletzt bei der Diffamierung der durch die Finanzkrise wohl am meisten gebeutelten griechischen Bevölkerung. Deshalb sollten wir genau hinschauen, wenn Wahl ist. Deshalb wählen gehen und Demokratie wählen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen beim 49. Sachsenhausengedenklauf viel Erfolg. Axel Holz