Gut gewählt ist halb gewonnen
10. Oktober 2011
Mecklenburg-Vorpommern hat gewählt. Die gute Nachricht zuerst: Fünf Parteien dürfen sich über den Einzug in den Schweriner Landtag freuen. Die schlechte Nachricht gleich hinterher: Auch die rechtsextreme NPD hat nach 2006 den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde wieder geschafft.
Ich habe zu denen gehört, die diesmal nicht an diese Ohrfeige für die Demokratie geglaubt haben. Entsetzt musste ich feststellen, dass diese Hoffnung bereits nach den ersten Hochrechnungen wie eine Seifenblase platzte. Dieser mehr als makabre Erfolg ist wohl das Ergebnis der Unentschlossenheit der Wähler im Land. Wochen- und monatelang haben die demokratischen Kräfte im Land gebetsmühlenartig an die Bürger appelliert, an die Wahlurne zu treten und ihr Wahlrecht wahrzunehmen.
Wenn das gerade einmal knapp mehr als die Hälfte der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger getan haben, dann haben eben vor allem die Nichtwähler der NPD den Boden geebnet, jetzt frohlocken und ihre dumpfen Parolen im Landtag fortsetzen zu können.
Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite aber haben immerhin auch rund 40.000 Wahlberechtigte der NPD ihre Stimme gegeben. Es ist zu bezweifeln, dass das alle potenzielle Neonazis sind. Vielmehr dürfte es sich dabei zu einem großen Teil um Protestwähler handeln, die den etablierten Volksparteien, was immer man darunter auch verstehen mag, keine tragfähige Politik mehr zutrauen, um die Probleme des Landes zu lösen. Da hilft auch kein Jammern, des FDP-Generalsekretärs Christian Lindner, dass es nun keine Stimme seiner Partei mehr im Schweriner Landtag gibt, dafür aber „mit der NPD die der Feinde der Demokratie“. Und der alte und wohl auch neue Ministerpräsident des Landes, Erwin Sellering, denkt offensichtlich zu kurz, wenn er das Flächenland M-V als von außen aufgedrücktes „Aufmarschgebiet der NPD“ bezeichnet. Denn die brennenden gesellschaftlichen Probleme im Land wie Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg und Armut sind es, die die Bürgerinnen und Bürger in die Fänge politischer Scharlatane treiben.
Da trifft es der unterlegene Spitzenkandidat der CDU, Innenminister Lorenz Caffier, schon eher auf den Punkt, wenn er sagt: „Die NPD und die Auseinandersetzung mit ihr wird immer eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein.“
Die Schlussfolgerung aus der Wahlnacht von Schwerin kann also nur bedeuten, dass die demokratischen Parteien eine Politik umsetzen, die sich um die Menschen und ihre Probleme kümmert. Parteiübergreifende Scharmützel nach dem Motto „Der eine schilt den anderen dumm“ haben in einer solchen Politik nichts zu suchen.
So abgedroschen es klingt: Im Mittelpunkt allen Bemühens muss der Mensch und nicht irgendein Parteien-Klientel stehen. Sellering hat allerdings recht, wenn er meint, die aktuellen Verluste der NPD sind auch ein Erfolg der Demokratie. Denn im bundesdeutschen Nordosten hat es eine breite demokratische Allianz gegen den Einzug der NPD ins Schweriner Schloss gegeben. Darin sehe ich trotz aller Enttäuschung über den Wahlausgang den positiven Aspekt. Auf dieser Linie muss man weiter machen, die Menschen aufrütteln und aufklären und ihnen Perspektiven vermitteln.
Kein noch so vermeintlich schwaches Feld darf der NPD überlassen werden, und das nicht erst im Wahljahr, sondern täglich. Vor allem muss aber mit wahrer Engelsgeduld über das fragwürdige Tun beziehungsweise Nichtstun dieser Partei aufgeklärt werden, wie mir ein Freund aus Hessen noch am Wahlabend schrieb.
Ob in diesem Zusammenhang das ZDF und der NDR gut beraten waren, dem NPD-Spitzenkandidaten in ihren sogenannten „Elefantenrunden“ ein Podium für seine Platitüden gegeben haben, erscheint mir allerdings fraglich. Der hat erwartungsgemäß viel erzählt, aber eigentlich außer Parolen nichts gesagt. Wer, bitte, hätte den Sendern vorschreiben können, wen sie zu ihren Gesprächsrunden einladen?
Und noch eins geht mir angesichts des Wahlausgangs durch den Kopf: Was macht die NPD für den Wähler eigentlich attraktiv? Sie bietet vermeintlich einfache Lösungen an, macht klare Stammtisch-Ansagen und spricht eine Sprache, die den Nerv des „kleinen Manns“ trifft. Nazis will keiner, den ich kenne, aber: so einen kleinen Adolf Schatzi, der könnte diesem Staat schon mal gut tun.
Eben das ist die Gefahr, die in Gestalt der NPD lauert. Es dürfte also auch nichts schaden, wenn die demokratischen Parteien Politik verständlicher rüberbringen. Dann· überwinden sicher noch mehr· Wähler ihre Wahlmüdigkeit und treten an die Wahlurnen.