Weltoffenheit gegen nationale Blindheit
10. Oktober 2011
In der Region Wismar und Nordwestmecklenburg umfaßt die rechte Szene zwischen 60 und 100 Personen. Das Wismarer Netzwerk für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit will Widerstand gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt leisten. Trotz der Unterstützung durch zahlreiche Bürger und gesellschaftliche Gruppen muß sich der Verein auch die Frage stellen, ob sein Engagement die rechte Szene nicht unnötig aufwertet.
Wer sich rasch über die Hansestadt informieren möchte, wird das Internet zu Rate ziehen: Dort sind informationen zu finden über das wunderschöne Kleinod der Bachsteingotik, das mit seinem direkten Zugang zur Ostsee über vielfältige Möglichkeiten für Handel und Tourismus verfügt.
Politisch Interessierte stoßen im Internet aber auch auf Berichte über Probleme mit Rechtsextremisten in Wismar und in der umliegenden Region. In der Stadt befinden sich ein rechter Szeneladen, ein Versand für rechtsextreme
Devotionalien und eine zur Szene gehörendes Tatoo-Studio. Im Landkreis Norwestmecklenburg gibt es ebenfalls einen entsprechenden Versand. Dem Kreistag Nordwestmecklenburg gehören mittlerweile auch zwei NPD-Mitglieder an.Die Präsenz der rechten Szene führte im Jahr 2001 zur Gründung eines überparteilichen Netzwerkes für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit. Gründungsmitglied war unter anderem der heutige mecklenburgische Landesbischof Andreas von Maltzahn. Es war und ist ein breites Bündnis von gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Gruppen aus der Region. Über Unterschiede politischer, religiöser oder ideologischer Art hinweg sollte das Ziel verfolgt werden, Demokratie, Menschlichkeit und Toleranz in der Wismarer Region zu stärken.Das Netzwerk wurde viele Jahre durch einen hauptamtlichen Mitarbeiter betreut, der durch ein staatliches Förderprogramm finanziert wurde. Nachdem das sogenannte Civitas- Programm ausgelaufen war, stand das Netzwerk vor Veränderungen. In einer ersten Phase des Umbaus fanden sich aktive Mitglieder, die eine Gruppe bildeten, um die Arbeit auf eigene Beine zu stellen und um ohne
Fördermittel sebständig weiterzumachen. Immer wieder stieß die Arbeit aber an Grenzen, denn ein „loses Bündnis“ war nicht unmittelbar ansprechbar und war auch nicht in der Lage, Spenden oder Fördergelder für sich einzuwerben.Angeregt durch die unerträglichen Aktivitäten im Umfeld des rechten Szeneladens, sammelte das Netzwerk in kürzester Zeit mehr als 3.000 Unterschriften für einen Aktionsplan „Rechtsextremsmus gemeinsam wirksam bekämpfen“, die der politischen Spitze der Sadt und dem Landesinnenministerium übergeben wurden. Ziel dieser Aktion und der weiteren Arbeit des Netzwerkes war und ist eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit und der Verwaltung beim Umgang mit der rechten Szene und der Förderung der Demokratie. Im Jahr 2008 wurde das Netzwerk für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit für Wismar und Westmecklenburg e.V. als gemeinnütziger Verein gegründet. Parallel zu diesen Aktivitäten entwickelten sich auch in der Stadt weitere Aktivitäten, wie die Kampagne „Wismar – Neugierig, Tolerant, Weltoffen“. Unter dem Dach dieser Kampagne engagieren sich zahlreiche Organisationen und Vereine. Auch im Lankreis wurden im Rahmen eines lokalen Aktionsplanes Aktivitäten in dieser Richtung unternommen.Immer wieder werden Mitglieder des Netzwerkes mit der Frage konfrontiert, ob sie mit ihrer öffentlichkeitswirksamen Arbeit die rechte Szene in der Region nicht auch unnötig aufwerten. Die Fokusierung auf die „Einzelfälle“ könne dem Ansehen der Stadt schaden, hieß es von Seiten der Kritiker. Der Verein war in der Stadt mit dem Vorwurf der „Nestbeschmutzung“
konfrontiert. Das Netzwerk diskutiert diese Frage immer wieder. Dabei setzte sich die Überzeugung durch, dass Verschweigen und Wegschauen keine Lösung sind.Das Engagement des Vereins ist darauf ausgerichtet, die Aktivitäten der rechten Szene im Auge zu behalten und durch Vorträge und andere Aktivitäten die Bevölkerung für Demokratie und Toleranz zu begeistern. Beispiel
für dieses Engagement sind die Aufklärung über die Erkennungszeichen der rechten Szene, Veranstaltungen über die Situation der Ausländer in Wismar, die Ziele und die Ideologie der NPD sowie eine Podiumsdikussion über ein mögliches Verbot der NPD. Auch das Projekt „Stolpersteine“ in Wismar wurde vom Verein unterstützt. Die Mitglieder des Netzwerkes wollen erreichen, dass die Bürger über Ziele und Hintergünde der rechten Szene informiert werden und nicht mehr anfällig für deren Parolen sind. Der Verein will durch Veranstaltungen und aktives Bürgerengagement aufklären, informieren und sensibilisieren. Das kann nur gelingen, wenn viele gesellschaftliche Gruppen in den Prozeß einbezogen werden und der einzelne Bürger sich mit diesem Anliegen nicht allein fühlt.Horst Krumpen ist Vorsitzender des Netzwerkes für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit fürWismar und Nordwestmecklenburg e.V. (e-mail: netzwerk-hwi-nwm@gmx.de). Das Netzwerk stellte vom 09.-26.11.2010 die Austellung der VVN-BdA „Neofaschismus in Deutschland“ im Wismarer Filmbüro aus.