AfD – Gefahr von rechts

10. Februar 2014

Eine Gefahr stellt die AfD für die CDU dar, die rechts von sich nichts duldet, für die Liberalen, die 400.000 ihrer Wähler an sie verlor – und absehbar für die Demokratie, wenn sich marktliberale mit wohlstandschauvinistischen Positionen und Islamkritik vereinigen.

Die Einschätzung der AfD durch Experten ist bisher nicht eindeutig, weil sie sich noch in einer Konsolidierungsphase befindet und ihre Entwicklung nicht nur mit einem knappen Papier zur Bundestagswahl dürftig ausgefallen ist, sondern auch bis zu deren Bundesparteitag im Januar 2014 inhaltlich unbestimmt bleibt. Die Arbeit an einem Programm stürze die Partei in handfeste Tumulte, kommentiert die Frankfurter Rundschau am 30. November. Deshalb ist die Analyse des Rechtspopulismusforschers Alexander Häusler im Auftrag der Böll-Stiftung umso wichtiger, weil er den prägenden Einfluss und die Bedeutung rechtspopulistischer, rechtskonservativer und marktradikaler Vorstellungen in der AfD herausarbeitet. Damit könnte die Afd die rechtspopulistische Lücke in Deutschland schließen, wie es Rechtspopulisten in Frankreich, Holland oder Österreich gelungen ist. Häusler untersucht in der Analyse den politischen Entstehungskontext der Afd in seinen Vorläuferorganisationen „Wahlalternative 2013“ und „Zivile Koalition“. Systematisch analysiert der Experte Struktur, Aufbau, Programm und Führungspersonal vor der Bundestagswahl und die Reaktionen der des rechtskonservativen und neofaschistischen Spektrums nach der Wahl. Trotz aller Bekundungen der Partei, weder rechts noch links zu sein, legt Alexander Häusler offen, dass die Partei über Personal verfügt, das bei „Die Republikaner“ oder „Die Freiheit“ aktiv war, Mitglied in Burschenschaften und rechten Zeitschriften ist.

Häusler stellt fest, dass Euro-Skepsis allein noch keinen Rückschluss auf Rechtslastigkeit erlaube. Erst durch das Zusammenkommen von EU- und eurokritischen Positionen mit nationalistischen und wohlstandschauvinistischen Auffassungen sowie diskriminierenden Zuschreibungen sei eine rechtspopulistische Klassifizierung gerechtfertigt. Auch Gerd Wiegel von der Partei die Linke warnt im „Rechten Rand“ davor,  die AfD als Nazi-Partei zu verkennen und das Tabu der Rechten damit zu schleifen. Er hebt hervor, dass sich Teile der neuen Rechten bereits heute positiv auf die AfD bezögen. Ob die AfD eine rechtskonservative, aber demokratische Partei bleibe oder in Richtung extreme Rechte tendiere, hänge davon ab,  ob sich die AfD dem im Rechtspopulismus vorherrschenden Antiislamismus, einer Ethnisierung der sozialen Frage und einem völkischen Verständnis der Nation nähere. Mit 340.000 Stimmen hatte die Linke hinter der FDP die zweitmeisten Stimmen an die AfD verloren.  Gerd Wiegel betont deshalb den Unterschied der linken EU-Kritik. Hinter der Schuldzuweisung der AfD an EU und Brüssel bleibe verborgen, dass die EU-Politik maßgeblich durch Deutschland dominiert werde und  deutsche Kapitalfraktionen in hohem Maße für die Krise Verantwortung trügen.

Deutliche Unterschiede in der politischen Stoßrichtung von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zeichnet auch Alexander Häusler. Während die NPD „nationalrevolutionär“, offen neonazistisch und gewaltorientiert sei, verlagere die AfD den politischen Diskurs nach rechts unter populistischen Vorzeichen innerhalb des demokratischen Gefüges. „Liberale AfD-Politiker wollen die FDP ersetzen“ titelte spiegel-online und blickte dabei auf die in Aussicht gestellte Vereinfachung des Steuerrechts, der Ablehnung des Mindestlohns und die vermeintliche Orientierung auf das Individuum.

Rechtspopulistischer Anwürfe werden von der AfD bisher entschieden abgewiesen. Der Chef der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“  René Stadtkewitz erklärte, dass die Positionen der „Freiheit“ mit denen der AfD zu 90 Prozent übereinstimmten. Mittlerweile ist „Die Freiheit“ nur noch in Bayern aktiv und ihre Akteure wurden weitgehend in die AfD integriert. Importiert wurde damit die typische Islamfeindlichkeit rechtspopulistischer Bewegungen. Im Verlaufe des Wahlkampfes hatte sich die AfD immer wieder von den Akteuren der „Freiheit“ distanziert und bei Übertritten Einzelfallprüfungen angekündigt. Noch in der Ausgabe 42-2013 der Zeitung der neuen Rechten „Junge Freiheit“ grenzte sich die AfD nach der Bundestagswahl von der Freiheit ab. Aber schon eine Woche später hieß es in derselben Zeitung, Parteichef Lucke gehe auf ehemalige Mitglieder der „Freiheit“ zu. Einige haben bereits starken Einfluss in Landesverbänden der AfD gewonnen und wurden in Ländern wie in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg in die Landesvorstände der AfD gewählt. Noch im Oktober hatte sich Lucke gegen den Rechtspopulismusvorwurf von Bundespräsident Joachim Gauck bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem polnischen Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) gewehrt. AfD-Chef Lucke hatte Gaucks Bemerkung als einen „Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Bundespräsidenten“ zurückgewiesen. Darauf sprach Gauck von einem Missverständnis: Er habe die AfD „nicht in Verbindung mit Rechtsextremismus und Populismus gebracht“, hieß es in der Süddeutschen Zeitung dazu.

Auffällig ist, dass die AfD als relativ junge Partei vor der Wahl in nahezu alle großen Fernseh-Talkshows eingeladen wurde, in Spiegel und FOCUS hofiert und in der gesamten bürgerlichen Presse bedient wurde. Anders als die NPD, die von Parteien, Medien und namhaften Wirtschaftskreisen gemieden wird,  hat die AfD offensichtlich wirksame Kontakte in der Medienlandschaft und wird offen vom Mittelstand und von Familienunternehmen unterstützt, stellt Andreas Kemper in seinem Buch „Rechte Euro-Rebellen“ fest. Als symptomatisch zitiert er einen Facebook-Eintrag, in dem die AfD als „atmende Partei“ beschrieben wird, die die millionenschweren Think Tanks des Neoliberalismus als Lungen habe. In die Vorgängerorganisationen Wahlalternative 2013, Bund freier Bürger und BügerKonvent waren Millionenspenden geflossen, sechs Millionen allein vom Milliardär August von Finck für eine Kampagne des Bürgerkonvents. In dessen Vorstand sitzen mit Beatrix von Storch, Vera Lengsfeld und Peter Krause Vertreterinnen des Netzwerkes um die Zivile Koalition e.V., erläutert Kemper. Vera Lengsfeld, die ehemalige Bürgerechtlerin aus der DDR, vertritt darin den Part der direkten Demokratie für eine EU-Abwahl. Anders als in vorangegangenen rechtspopulistischen Parteien sei die AfD nicht nur ein Sammelbecken für rechtskonservative und nationalistische Interessen, sondern die Interessen einer bestimmten Kapital-Fraktion, bewertet Andreas Kemper. Eine Fraktion mit wirtschaftlichem Rückgrat, politischem Netzwerk und medialer Verankerung könnte man hinzufügen. Auch die Zusammensetzung der Partei-Spitze spricht für sich. Professoren- und Adels-Partei wird sie nicht zufällig genannt. Hinter Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke steht ein ganzes Arsenal an geballter marktradikaler Intellektualität, das sich bei den Münchner Wirtschaftsgesprächen regelmäßig trifft. Mit Beatrix von Storch als Mitbegründerin der Vorgängerorganisation zivile Koalition e.V. findet sich eine repräsentative Vertreterin des Adelsgeschlechts, die in den 90er Jahren Ländereien aus den neuen Bundesländern zurückforderte, die per Einigungsvertrag unantastbar sind.

Bezeichnend für die Demokratieauffassung in der AfD sind eine Reihe von Konzepten im AfD-Umfeld, mit denen das allgemeine Wahlrecht zu Gunsten des gut verdienenden Mittelstandes aufgelöst werden soll. Die Alternativen zur Demokratie reichen von Direktwahlen der Ministerpräsidentinnen (Konvent für Deutschland), der Einschränkung des aktiven oder passiven Wahlrechts für Arbeitslose (Vaubel) bis zur Schaffung einer „echten“ Monarchie (Albrecht/Krause) hinter die demokratischen Errungenschaften der bürgerlichen Revolution von 1918 zurück. Konrad Adam forderte 2005 die Einführung des Mehrheitswahlrechts, um gegen den Linkstrend stabile politische Mehrheiten herstellen zu können.

Bisher ist die Afd neben eurokritischen Positionen auch durch sozialchauvinistische Einflüsse aufgefallen. „Keine Einwanderung in unsere Sozialsysteme“ war der Slogan der AfD auf den Bundestagswahlplakaten, mit denen Stimmung gegen Asylrecht, Zuwanderung und Migration gemacht wurde. Allein im geforderten Arbeitsrecht für Asylbewerber unterscheidet sich die AfD in ihren Asyl-Vorurteilen von der NPD. Auffällig sind in den Interviews mit AfD-Funktionären Bemerkungen wie „Wir sind nicht das Weltsozialamt“, die Abwertung anderer Nationen in der Finanzkrise oder das Gerede von der „Musterintegration“ Einzelner, das die grundsätzliche Integrationsfähigkeit der Einwanderer in Frage stellt.

Für Teile der Mitglieder rechter Parteien und die neue Rechte mit ihrem Sprachrohr „Junge Freiheit“ ist die AfD eine erfolgversprechende „Alternative“ und „Hoffnungsträger“ einer  immer noch erfolglosen nationalistischen Rechten. Experten sehen die AfD mit ihren wohlstandschauvinistischen und neoliberalen Einflüssen auf der politischen Skala rechts von der Union mit rechtspopulistischer Ausrichtung.